Landrat Dr. Achim Brötel, Veranstaltung von "FÜR das Wir", Zehn Kernsätze"FÜR das WIR"
(30. Januar 2022 in Buchen)
• Gerne ergreife ich die Gelegenheit, um in dieser Runde auch aus meiner Sicht zur aktuellen Situation Stellung zu nehmen. Ich will das im Rahmen von insgesamt zehn Kernsätzen „FÜR das WIR“ tun.
• Es ist jetzt fast auf den Tag genau zwei Jahre her, seitdem das fiese kleine Virus uns erreicht hat. „Patient 1“, der erste nachweislich infizierte Fall in Deutschland, ist seinerzeit in der München Klinik Schwabing zu verzeichnen gewesen. Ein Familienvater, Mitte 30, Mitarbeiter des Automobilzulieferers Webasto. Das war am 27. Januar 2020.
• Unser erster Infektionsfall im Neckar-Odenwald-Kreis ist hingegen erst einige Wochen später eingetreten. Eine etwa 60-jährige verheirate Frau, die sich in einem Nachbarlandkreis angesteckt hatte. Das war am 6. März 2020.
• Ich glaube, niemand hatte damals auch nur annähernd eine Vorstellung da-von, wie diese Pandemie unser eigenes Leben, im Grunde aber die gesamte Welt verändern würde – und das bis zum heutigen Tag.
• Seitdem haben sich in Deutschland mehr als 9,7 Millionen Menschen mit dem Virus infiziert.
• 118.000 von ihnen sind an oder mit COVID-19 sogar gestorben. Auch wir im Neckar-Odenwald-Kreis haben mehr als 180 Todesopfer zu beklagen.
• Jede und jeder einzelne ist definitiv ein Opfer zu viel.
• Und doch haben wir in den letzten zwei Jahren auch etwas völlig anderes er-fahren, nämlich ganz viel gesellschaftlichen Zusammenhalt, mitmenschliche Solidarität, bewusste Vernunft und gewollte Achtsamkeit füreinander.
• Unzählige Menschen in den Arztpraxen, in den Krankenhäusern, in den Pflegeheimen, in den Einrichtungen der Johannes-Diakonie und der Ju-gendhilfe, in den ambulanten Pflegediensten, in den Kitas und Schulen, im Einzelhandel, bei der Polizei, in unserem Gesundheitsamt, in den Testzen-tren und den Impfstützpunkten oder wo auch immer haben auf wirklich be-wundernswerte Weise alles getan, um dem Virus die Stirn zu bieten.
• Daraus leitet sich mein erster Kernsatz für heute ab. Wir schulden dafür näm-lich allen diesen Mitbürgerinnen und Mitbürgern tiefen Respekt und ein herz-liches Vergelt’s Gott.
• Wir haben erleben dürfen, was es heißt, füreinander da zu sein. Danke, dass das möglich war und weiter möglich ist.
• Wir werden es nämlich auch weiterhin dringend brauchen. Seit gestern lau-fen unsere Isostationen in Mosbach und Buchen leider wieder in rasantem Tempo voll. Binnen 24 Stunden haben sich die Fallzahlen sowohl bei den bestätigten COVID-Patienten als auch bei den Verdachtsfällen verdoppelt. Es sieht also so aus, als ob die Omikron-Welle jetzt auch mit Wucht in den Kliniken ankäme. Das ist eine sehr beunruhigende Entwicklung.
• Nicht umsonst hat die Initiative „Herz statt Hetze“ diese Veranstaltung heute hier auf dem Wimpinaplatz in Buchen unter das Motto gestellt „Für Zusam-menhalt, für Solidarität, für Vernunft, für Demokratie, für eine offene und bun-te Gesellschaft. Füreinander“.
• Das führt mich unmittelbar schon zu meinem zweiten Kernsatz: Das „Wir“ soll und muss nämlich auch weiterhin entscheidend sein, nicht das besserwisse-rische oder gar egoistische „Ich“.
• Wenn ein aus Buchen stammender, aber in Heidelberg praktizierender Hausarzt den amtierenden Bundesgesundheitsminister als „Wahnsinnigen“ bezeichnet, sich darüber hinaus das Urteil erlaubt, die Harvard-Arbeit des Ministers sei „ein Witz“ und ihm dann auch noch vorwirft, die „Unwahrheit“ zu sagen („Talk im Hangar-7“, Servus-TV vom 27. und 28. Januar 2022), dann frage ich mich: Was außer seinem maßlos übersteigerten Ego legitimiert die-sen Hausarzt eigentlich zu einem solchen Urteil?
• Selbst wenn wir alle dasselbe Ziel haben sollten, werden wir es nur gemein-sam erreichen. Das halte ich persönlich für eine ganz zentrale Botschaft.
• Deshalb: Danke auch an „Herz statt Hetze“. Danke an Euch, lieber Alex und lieber Markus, aber auch an alle Eure Mitstreiterinnen und Mitstreiter.
• Der dritte Kernsatz ist dann aber schon ein nachdenklicher: Gerade dieses „Wir“, das Gemeinsame, das Solidarische, das Füreinander statt dem Ge-geneinander wird momentan nämlich vor eine schwere Bewährungsprobe gestellt.
• Zwei Jahre harter Einschränkungen gehen an niemand von uns spurlos vo-rüber. Viele von uns sind müde, nicht wenige sogar erschöpft. Da liegen die Nerven schon auch einmal blank. Die Zündschnüre werden kürzer.
• Und: die Sehnsucht nach Normalität, nach dem, was unser Leben vor der Pandemie ausgemacht hat, ist manchmal stärker als der eigene Geist.
• So etwas macht einen anfällig für vermeintlich einfache, gerade deshalb aber nicht selten zugleich gefährliche Lösungen.
• Komplexe Probleme zeichnen sich aber vor allem dadurch aus, dass sie sich eben nicht einfach lösen lassen.
• Trotzdem ist das schon immer der Stoff gewesen, aus dem vermeintliche Heilsbringer versucht haben, ihren Honig zu saugen.
• Und: Wenn wir aus der deutschen Geschichte eines schmerzlich gelernt ha-ben sollten, dann ist es doch sicher das, dass diese perfide Rechnung am Ende womöglich leider auch noch aufgeht. Das muss uns unbedingt zu den-ken geben. Wir dürfen den Rattenfängern deshalb nicht erneut auf den Leim gehen.
• Daraus folgt mein vierter Kernsatz: Wer nur Schwarz-Weiß malt und alle Zwi-schentöne dabei bewusst ausblendet, trennt geradezu zwangsläufig auch in einzelne Lager.
• Diese Gefahr sehe ich in der aktuellen Situation ganz deutlich. Ich nehme es jedenfalls eher so wahr, dass sich hier momentan in unserer Gesellschaft etwas auseinanderdividiert, voneinander wegentwickelt, sich womöglich so-gar in direkter Konfrontation gegenübersteht.
• Und: ich will nicht verhehlen, dass mich das schon auch mit Sorge erfüllt, weil es ja hoffentlich eine Zeit nach der Pandemie geben wird, wo wir uns auch wieder gegenseitig in die Augen schauen und dann vor allem gemein-sam nach vorne blicken sollten.
• Das leitet mich über zu einem fünften Kernsatz: Ich finde, dass wir alle - und damit meine ich jetzt wirklich alle, ganz ausdrücklich auch diejenigen, die heute aus welchen Gründen auch immer nicht da sind - dass wir alle Anlass genug haben, um unser eigenes Verhalten immer wieder selbstkritisch zu überprüfen.
• Demokratinnen und Demokraten müssen auch andere Meinungen respektie-ren.
• Auch wenn ich es persönlich für absolut falsch halte, dass sich jemand ge-gen die Impfung entscheidet, akzeptiere ich das aber. Das steht für mich völ-lig außer Frage. Ich allein kann einen anderen zu nichts verpflichten. Der demokratisch legitimierte Gesetzgeber könnte es. Solange er aber nicht dar-über entschieden hat, ist und bleibt das zunächst einmal die freie Entschei-dung eines jeden einzelnen.
• Deshalb sollten wir auch weniger mit dem Finger auf diejenigen zeigen, die für sich einfach andere Schlüsse aus einem bestimmten Lebenssachverhalt ziehen.
• Daraus folgt mein sechster Kernsatz: Die Demokratie lebt vom Widerstreit der Meinungen. Über Meinungen lässt sich bekanntermaßen immer trefflich strei-ten.
• Und: genau das sollten wir auch tun. Die Meinungsfreiheit ist vor allem dann gewahrt, wenn sie sich in der Auseinandersetzung unterschiedlicher Argu-mente schärft und bewährt.
• Alternative Fakten kann es dabei allerdings keine geben.
• Fakten sind schon vom Begriff her nachweisbare Tatsachen.
• Wenn jemand also tatsächlich auch im Jahr 2022 noch felsenfest davon überzeugt sein sollte, dass die Erde eine Scheibe ist oder dass Bill Gates bei jeder COVID-Impfung einen Mikrochip in den menschlichen Körper implan-tiert, um uns zu bespitzeln, ist eine Diskussion darüber nicht möglich. Das Gegenteil ist nämlich nachweisbar und längst auch objektiv nachgewiesen.
• Solche Menschen brauchen deshalb keinen Diskurs, sondern vielmehr me-dizinische und therapeutische Hilfe, auch wenn sie es im Zweifel nicht wahr-haben wollen.
• Wenn wir möchten, dass das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ge-nauso wie alle anderen Grundrechte unserer Verfassung auch weiterhin ge-schützt bleibt und wir in einem freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaat le-ben dürfen, dann müssen wir uns aber auch - und das ist mein siebter Kern-satz - aktiv dazu bekennen und genauso aktiv für die Werte eintreten, die uns wichtig sind.
• Die Demokratie und der Rechtsstaat sind momentan nämlich nachhaltig in Gefahr, vielleicht sogar mehr, als uns bewusst ist.
• Ich will deshalb noch einmal auf das Motto dieser Versammlung heute zu-rückkommen. Für Zusammenhalt. Für Solidarität. Für Vernunft. Für Demokra-tie. Für eine offene und bunte Gesellschaft. Füreinander. Wer wollte das denn eigentlich nicht?
• Trotzdem erleben wir alle momentan zumindest ein Stück weit aber doch das krasse Gegenteil davon. Das kleine fiese Virus legt die Axt nämlich auch an die Grundlagen unseres Zusammenlebens.
• Zu diesen Grundlagen des Zusammenlebens gehört es auch, sich an Regeln zu halten.
• Regeln, die ein demokratisch legitimierter, aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangener Gesetzgeber für uns alle beschlossen hat.
• Diese Regeln binden einen Demokraten auch dann, wenn er selbst anderer Meinung ist. Das ist ein ganz simpler, aber absolut elementarer Grundsatz.
• Und: es ist ein unverrückbares Grundprinzip der Demokratie, dass die Min-derheit die Position der Mehrheit respektiert.
• Wer sich durch allgemeine Regeln, also Gesetze, in seinen Rechten verletzt fühlt, darf jederzeit die Gerichte anrufen, bis hin zum Bundesverfassungsge-richt.
• Daraus folgt mein achter Kernsatz: Niemand von uns hat das Recht, sich ein-seitig über demokratisch legitimierte Regeln hinwegzusetzen, nur weil sie ihm persönlich vielleicht nicht in den Kram passen.
• Ich will das an einem ganz simplen Beispiel verdeutlichen: Wer Auto fahren will, braucht einen Führerschein. Das gilt auch dann, wenn er mit dem Auto zu einer Demonstration fährt, um seine verfassungsrechtlich verbürgten Grundrechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit wahr-zunehmen. Die Verfassung befreit ihn nicht von der Führerscheinpflicht. Auch derjenige, der seine Fahrt ohne Führerschein als „Spazierfahrt“ tituliert, handelt deshalb rechtswidrig und macht sich sogar strafbar.
• Und, jetzt übertrage ich das einfach einmal auf einen absolut parallelen Le-benssachverhalt unserer Tage: Wer sich mit anderen verabredet, um ge-meinsam seine Meinung zur Corona-Politik kundzutun, muss das nach dem Versammlungsgesetz vorher anmelden, bestimmte Auflagen erfüllen und vor allem einen verantwortlichen Versammlungsleiter benennen.
• Dieses Gesetz ist schon zig Mal vom Bundesverfassungsgericht bestätigt worden. An seiner Verfassungsmäßigkeit bestehen deshalb keine Zweifel.
• Eine so klare Rechtslage kann man dann aber auch nicht einfach dadurch umgehen, dass man das Ganze „Spaziergang“ nennt.
• Das sind keine „Spaziergänge“. Es sind zweifelsfrei Demonstrationen. Weder zufällig noch spontan, sondern via Telegram oder über andere Kanäle im Detail organisiert - nur halt nicht angemeldet, ohne Verantwortliche und was die Corona-Regeln anbelangt oft genug leider auch noch ohne jedes Ver-antwortungsbewusstsein.
• Das ist der offene Versuch, Auflagen zu umgehen und das Versammlungs-recht zu unterlaufen. Das ist deshalb auch kein „Spaziergang“, sondern in Wirklichkeit ein illegaler Auflauf.
• Und was noch viel schlimmer ist: Wer so etwas tut, verhöhnt unseren Rechts-staat und tritt die Demokratie, die diesen Rechtsstaat trägt, dann auch noch mit Füßen.
• Das führt mich unmittelbar zu meinem neunten Kernsatz: Wer demokratische und rechtsstaatliche Grundsätze bewusst mißachtet und sie womöglich sogar ins Lächerliche zieht, überschreitet dadurch eindeutig Grenzen.
• Menschen, die sich so etwas auf ihre Fahnen schreiben, sind deshalb auch ganz sicher keine Demokraten, sondern in Wirklichkeit Rechtsstaatsfeinde.
• Ich will auch da aber durchaus differenzieren. Jedenfalls bin ich persönlich weit entfernt davon, alle oder auch nur die Mehrheit derer, die an den sog. „Spaziergängen“ bei uns teilnehmen, als Rechtsstaatsfeinde zu brandmar-ken. Das wäre mit Sicherheit ungerecht. Ich glaube vielmehr, die meisten tun das sogar wirklich aus echter Sorge um ihre Zukunft.
• Klar ist aber auch: Die Hinterfrauen und Hintermänner, die das Ganze steu-ern, verdienen ohne Zweifel das Negativprädikat eines Rechtsstaatsfeindes.
• Dazu reicht schon ein kurzer Blick in die Posts der letzten Tage im Telegram-Kanal von „Buchen steht auf“.
• Da werden etwa der Bundeskanzler und weitere Mitglieder seines Kabinetts als „Impfterroristen“ bezeichnet und „wegen besonders schwerer Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ steckbrieflich gesucht.
• In den Einzeldarstellungen dazu heißt es u.a. bei Bundeskanzler Scholz, er sei ein „korrupter, in unzählige Finanzaffären verstrickter Kanzlerdarsteller“, oder bei Außenministerin Baerbock, sie sei ein „extremistisch naiver Kobold (…)“. Gepostet von Michael Reichert aus Götzingen.
• Bürgermeister und Kreisräte werden wenig später als „Stehaufmännchen“ verunglimpft, die schon „genug Schuld“ auf sich geladen hätten – mit dem Zusatz: „die wissen, wenn das Narrativ fällt, fallen sie auch“ und dem Hinweis „Bin mal gespannt, wann der arme Roland Polizeischutz bekommt, wenn die bösen an seiner Hütte vorbei laufen und sich erdreisten, ein Grundgesetz vor die Tür zu legen.“
• Da werden definitiv Grenzen überschritten – so wie das in der Vergangenheit auch immer wieder bei einzelnen Aktionen der Fall war.
• Ich erinnere beispielhaft nur an die für unbedarfte Geister vielleicht harmlos wirkende Aktion im vergangenen Jahr, bei der Kinderschuhe vor den Rat-häusern abgestellt wurden. Das hat eben einfach einen historischen Vorläu-fer, nämlich die furchtbaren Kindermorde durch die Nazis und ganz beson-ders die Kindermorde von Lublin.
• Wer pandemiebedingte Einschränkungen, die Kinder und Jugendliche zwei-felsohne in einem besonders hohen Maß ertragen müssen, damit vergleicht, verhöhnt auf eine ekelhafte Weise die Opfer des Nazi-Terrors.
• Vielen hier vor Ort war das wahrscheinlich gar nicht bewusst. Die Hinter-männer, die diese Aktion kreiert und auch aktiv beworben haben, haben aber ganz genau gewusst, was sie getan haben.
• Ich selbst bin im Übrigen auch gerade wieder Opfer einer gezielten Ver-leumdungskampagne. Da wird kolportiert und fleißig weiterverbreitet, ich sei bei einer ganz konkret bezeichneten Demonstration hier in Buchen „laut schimpfend und deutlich herausgehoben“ in Erscheinung getreten, hätte vorbeiziehende Demonstranten „unflätig beschimpft und mit irreführender Etikettierung verunglimpft“ und – das geht noch weiter – „laut rufend jeden einzelnen Passanten als ‚Scheiß Corona-Leugner‘ tituliert“. Das waren eben alles Originalzitate.
• Die gesamte Geschichte ist natürlich frei erfunden. Ich war noch nicht einmal auf dieser Demonstration. Das hält diese Menschen, die doch angeblich so demokratisch, rechtsstaatstreu und grundgesetzbewusst sind, aber nicht da-von ab, auf verleumderische Weise mit Dreck zu schmeißen und das auch noch fleißig weiterzuverbreiten.
• Aus alledem leite ich, msgDuH, meinen zehnten und letzten Kernsatz ab: Ich glaube nämlich wirklich auch weiterhin, dass viele derer, die an den sog. „Spaziergängen“ teilnehmen oder sich auf Kanälen wie „Buchen steht auf“ passiv tummeln, selbst gar keine Rechtsstaatsfeinde oder gar Extremisten sind.
• Wer nichts hinterfragt, wer zu offenkundigen Grenzüberschreitungen schweigt, ohne sich zu distanzieren, oder wer bei der Weiterverbreitung sol-cher Botschaften sogar noch aktiv mitmacht, macht sich aber selbst auch mit-schuldig. Dazu stehe ich ohne Wenn und Aber.
• Man kann den Karren, der da momentan durch die Lande gezogen wird, so bunt anmalen, wie man will. Es schimmert immer braun durch.
• Wir haben unsere Großeltern und Urgroßeltern aus guten Gründen heftig da-für kritisiert, dass sie zu allen Angriffen auf die rechtsstaatliche Ordnung schon in der Weimarer Republik und erst recht dann später bei der sog. Machtübernahme durch die Nazis geschwiegen haben und dadurch vielfach zu Mitläufern geworden sind.
• Heute frage ich mich, wie ich diejenigen eigentlich bezeichnen soll, die bei einem sog. „Spaziergang“ schweigend und ohne sich zu distanzieren mitlau-fen?
• Sind das nicht auch „Mitläufer“? Ein anderes Wort fällt mir dazu jedenfalls nicht ein.
• Unser Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat vor kurzem gesagt, dass „sogenannte Spaziergänger“, die „von einer ‚Coronadiktatur‘ schwur-beln“, dadurch nicht nur ihre „Verachtung für staatliche Institutionen“ zum Ausdruck bringen, sondern auch „uns alle beleidigen“.
• Das kann ich nur dick unterstreichen. Da wird die „Axt an das demokratische Urvertrauen“ unserer Gesellschaft gelegt.
• Und: ich befürchte, dass die Blase, die das jetzt unter dem Banner der Pan-demie tut, morgen und übermorgen dann zur Jagd auf geflüchtete Menschen und Migranten oder gegen Maßnahmen für den Klimaschutz blasen wird.
• Die Netzwerke sind geknüpft, die Menschen sind schon einmal in den Sog von Fehlinformationen hineingezogen und andere Themen, um Ängste und Wut zu kanalisieren, gibt es mehr als genug.
• Wer erst einmal überzeugt ist, dass Regierung und Medien sowieso syste-matisch lügen, wird sich auch für solche Proteste mobilisieren lassen.
• Die Pandemie ist deshalb nur der Einstieg. Da geht es nicht „um unsere Kin-der“, wie immer wieder wohlfeil vorgeschoben wird. Da geht es in Wirklich-keit um einen anderen Staat.
• Insofern kann ich nur sagen: Wehret den Anfängen!
• Lassen Sie mich ganz zum Schluss deshalb bitte noch die berühmten Worte von Pastor Martin Niemöller zitieren, der als führender Vertreter der Beken-nenden Kirche seit 1938 von den Nazis in verschiedenen Konzentrationsla-gern inhaftiert war, dem Holocaust aber glücklicherweise entkommen ist und nach dem Krieg einer der führenden Köpfe der Friedensbewegung wurde.
• Martin Niemöller hat im Rückblick auf sein eigenes Leben nämlich gesagt: „Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Gewerkschaftler holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Gewerkschaftler. Als sie die Juden holten, habe ich ge-schwiegen; ich war ja kein Jude. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte“.
• Diese eindringlichen Worte sollen und müssen uns Mahnung und Auftrag zugleich sein.
• Jetzt ist deshalb Haltung gefragt. Ein aufrechtes und aktives Bekenntnis zu unserer Demokratie, zum Rechtsstaat und zu den grundlegenden Werten, die ihn tragen. Und gegen die „Wölfe im Schafspelz“, die sich selbst gern Demokraten nennen, in Wirklichkeit aber ganz anderes im Schilde führen.
• Ich bin sicher, dass wir die Pandemie bewältigen werden. Es wird aber nur gemeinsam gelingen. Mit Zusammenhalt, mit Solidarität, mit Vernunft, in ei-ner offenen und bunten Gesellschaft. Füreinander.
• Oder in einem Satz: FÜR das WIR!
• Herzlichen Dank für das geduldige Zuhören.